Digitale Souveränität aus Sicht der sächsischen Parteien zur Landtagswahl am 1. September 2024

Die Landesregierungen von Bayern und Niedersachsen mussten zuletzt feststellen, dass die bisher von Microsoft genutzten Produkte sukzessive nur noch als Cloud-Lösung angeboten werden, sodass die Länder zur Verwendung dieser Cloudlösungen gezwungen sind — und das, obwohl die Cloudlösungen aus datenschutzrechtlicher Sicht in einschlägigen Medien als kritisch eingestuft werden. Wir sehen dies als ein weiteres als Beispiel einer geschaffenen digitalen Abhängigkeit.

Aber mit welchem Blick schauen die sächsischen Parteien auf das Thema der digitalen Souveränität? Im Rahmen der anstehenden Landtagswahlen haben wir die Wahlprogramme dahingehend gesichtet sowie direkte Anfragen an die Parteien gesendet, um deren Positionen zum Thema Digitale Souveränität herausarbeiten zu können.

Neben der Analyse der Wahlprogramme aller aktuell im sächsischen Landtag vertretenen Parteien (mit Hinzunahme der FDP als aktueller Regierungspartei auf Bundesebene) haben wir den Parteien folgende Fragen gestellt:

  1. Sehen Sie eine mangelnde Digitale Souveränität in a) sächsischen Unternehmen und b) der öffentlichen Verwaltung Sachsens als Herausforderung? Wie hoch schätzen Sie das Risikobewusstsein ein?
  2. Welche politischen Maßnahmen zur Steigerung der digitalen Souveränität wurden bereits durchgeführt und welche sind in der Planung? (Nennen Sie gerne auch Beispiele.)
  3. Wie unterstützen Sie die Verwendung standardisierter/offener Datenformate?
  4. Wie schätzen Sie die Rolle von Open-Source-Software zur Erlangung digitaler Souveränität ein? Möchten Sie die Verwendung und/oder Entwicklung von Open-Source-Software fördern?
  5. Sollte bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand bevorzugt auf OpenSource-Software gesetzt werden?
  6. Sollte bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand das Vorhandensein kompatibler Alternativprodukte (sowohl Soft- als auch Hardware) als verpflichtendes Wertungskriterium eingeführt werden?
  7. Sehen Sie Risiken bei der Verwendung (insbesondere von nicht-europäischen Anbietern) von Cloudservices hinsichtlich der Datensouveränität?

Basierend auf den Antworten zu diesen Fragen sowie der Positionen aus den Wahlprogrammen ergeben sich für die Parteien folgende Positionierungen zum Thema der Digitalen Souveränität.

CDU

Die CDU sieht sowohl in der sächsischen Privatwirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung bestehende digitale Abhängigkeiten, die es zu verringern gilt. Der besondere Fokus liegt dabei bei Datenschutzthemen sowie der IT-Sicherheit. Im Wahlprogramm selbst lässt sich jedoch nichts zu Abhängigkeiten des öffentlichen oder privaten Sektors von Herstellern, einzelnen Produten oder Ländern finden. Auch eine Erwähnung von Open Source oder freier Software findet im Wahlprogramm nicht statt.

In den Antworten auf unsere Fragen wird dies jedoch durch die CDU thematisiert, indem auf die 2023 verabschiedete Open-Source-Strategie des Freistaats Sachsen verwiesen wird, mit der auch auf vorhandene Abhängigkeiten eingegangen wird. Die Auflösung dieser Abhängigkeiten und die Etablierung von Entscheidungsprozessen zum Abbau dieser wird dort ebenfalls thematisiert. Allerdings fehlt es dieser Strategie noch an konkreten Umsetzungspfaden. Die CDU erachtet die Etablierung digitaler Souveränität als wichtig, möchte jedoch keine strengeren Vorgaben oder Anpassungen an den Vergabebedingungen vornehmen. Vielmehr wird für einen „Kulturwandel“ unter den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Verwaltung appelliert – sobald dieser erfolgt ist, stehen laut CDU in den aktuellen Vorschriften für öffentliche Ausschreibungen bereits genügend Werkzeuge bereit, um digital souveräne Lösungen auszuschreiben.

AfD

Die AfD äußert sich in ihrem Programm kaum zur Digitalen Souveränität im technischen Sinne. Stattdessen betont sie, dass bei der Digitalisierung immer auch analoge Alternativen vorhanden sein müssen, insbesondere im Verwaltungsbereich. Der Begriff „Souveränität“ wird ausschließlich im Kontext einer wieder stärkeren Bündelung von Entscheidungskompetenzen auf regionaler und nationaler Ebene, weg von der EU, verwendet.

Auf unsere Fragen haben wir von der AfD keine Antwort erhalten.

Die Linke

Die Linke bekennt sich in ihrem Wahlprogramm deutlich zu offenen Standards, Open Data und Open Access. Weiterhin wird für die IT des Freistaats und von Behörden explizit die Verwendung von Open Source gefordert und die Open-Source-Strategie des Freistaates befürwortet. Eine Stärkung der Digitalen Souveränität durch die Verwendung von Open Source wird im Wahlprogramm erkannt und direkt mit dem Loslösen von privaten Anbietern in Verbindung gebracht. Eine tiefergehende Betrachtung, ob und wie digitale Souveränität auch mit proprietären Anbietern möglich ist findet nicht statt.

Aus der Beantwortung unserer Fragen geht hervor, dass Die Linke die Digitalbildung dahingehend ändern möchte, dass an Schulen keine Monopollösungen mehr gelehrt werden sollen.

Um die Open-Source-Strategie des Landes mit Leben zu füllen, möchte Die Linke die IT-Systeme des Freistaates vereinheitlichen sowie Open Source und Open Data als Bedingung bei öffentlichen Ausschreibungen einführen. Falls es noch keine passenden Open-Source-Lösungen gibt, soll eine Anpassung dieser gegenüber der Verwendung proprietärer Lösungen vorgezogen werden. Als Nebeneffekt soll durch die dabei stattfindende Vereinheitlichung von Schnittstellen die Interaktion zwischen verschiedenen Behörden verbessert werden. Durch die öffentliche Hand entwickelte Software soll im Rahmen des Projektes „Public Money Public Code“ der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Zur Wahrung der Datensouveränität möchte Die Linke möglichst auf Infrastruktur setzen, die durch die Behörden selbst betrieben wird. Nur falls dies nicht möglich oder zu aufwändig ist, soll auf externe Anbieter gesetzt werden, die datenschutzkonform arbeiten. Bei letzterem Punkt werden große Risiken bei nicht-europäischen Anbietern gesehen.

Bündnis 90/Die Grünen

Dem Wahlprogramm der Grünen ist zu entnehmen, dass die Open-Source-Strategie des Freistaats konsequent umgesetzt werden soll. Dazu soll in der Verwaltung vorrangig auf Open Source gesetzt werden, da so die Unabhängigkeit der Verwaltung sowie Sachsen als Open-Source-Standort gestärkt wird. Die Cloudumgebungen der Verwaltung sollen souverän betrieben werden, indem die Infrastruktur auf dem Souvereign Cloud Stack basieren sowie OpenDesk als Anwendungsumgebung zum Einsatz kommen soll. Die Verwendung von offenen Datenformaten und -schnittstellen sollen auch den Datenaustausch innerhalb der Verwaltung erhöhen.

Unsere Fragen wurden von den Grünen nicht beantwortet. Stattdessen wurde auf die Wahlprüfsteine der Grünen verwiesen, in denen sich Fragen und Antworten der OSBA zum Thema der digitalen Souveränität finden. Diesen entnehmen wir, dass die Grünen die Entwicklung sowie Nutzung eigener Softwarelösungen sowie von Open-Source-Software vorantreiben möchten. Dazu soll eine quantitative Zielvorgabe für das Jahr 2028 gesetzt werden, wie viel Open Source in der Verwaltung verwendet werden soll. Bildung wird als wichtige Säule angesehen, damit die Bevölkerung sowie die Verwaltung digital souveräne Entscheidungen bei der Produktauswahl treffen kann. Auch die Auftragsberatungsstelle (ABSt Sachsen e.V.) soll dahingehend gestärkt werden, damit sie sächsische Verwaltungen bei der strategischen Beschaffung (u.a. von Open-Source-Software) unterstützen kann.

SPD

Im Wahlprogramm der SPD finden sich keine Positionen zu Open Source oder der Abhängigkeit von Herstellern. Open Data bzw. Open Access wird im Kontext der Forschung aufgegriffen und die Zugänglichkeit von Daten aus der Forschung für die Allgemeinheit gefordert.

Durch die Beantwortung unserer Fragen zeigt sich, dass die SPD digitale Souveränität vor allem als selbstbestimmte Nutzung der Digitalisierung zum Wohle der Menschen sieht. Das Thema wird also weniger technisch sondern mit dem Fokus der Anwender betrachtet. So fordert die SPD beispielsweise einfache Verständlichkeit und Zugänglichkeit der IT-Anwendungen. Dabei geht sie nicht darauf ein, dass diese Ziele, zumindest kurzfristig, auch mit Produkten erreichbar sind, die auf lange Sicht eine Abhängigkeit zu einem Hersteller schaffen.

Die vom Freistaat eingeführte Open-Source-Strategie wird auch von der SPD befürwortet. Weiterhin erachtet die SPD Open-Source-Lösungen als oftmals kostengünstiger und effizienter im Vergleich zu proprietären Lösungen, sodass sie sich für den Einsatz von Open Source einsetzen möchte – konkrete Maßnahmen werden dazu allerdings nicht benannt.

Eine Anpassung von Ausschreibungskriterien möchte die SPD nicht vornehmen, vielmehr sollen die Mitarbeiter soweit sensibilisiert werden, dass entsprechende Kriterien in öffentliche Ausschreibungen aufgenommen werden.

Hinsichtlich der Datensouveränität bei nicht-europäischen Anbietern fordert die SPD eine gründliche Prüfung, ob die Anbieter alle europäischen Anforderungen erfüllen. Weiterhin wird für den Freistaat der eigene Infrastrukturbetrieb über den Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste befürwortet.

Bündnis Deutschland

Bündnis Deutschland hat in seinem Wahlprogramm keine nennenswerten Positionen zur digitalen Souveränität formuliert. Weder Open Source noch die Abhängigkeit von IT-Anbietern werden thematisiert. Auf unsere Fragen haben wir keine Antwort erhalten.

Freie Wähler

Bei den Freien Wählern zeichnet sich ein Ähnliches Bild: Im Programm finden sich keine Positionen zur digitalen Souveränität oder zu Open Source. Auch zur Abhängigkeit von einzelnen IT-Produkten findet sich keine Aussage im Wahlprogramm. Unsere Fragen blieben auch von den Freien Wählern unbeantwortet.

FDP

Im Programm der FDP finden sich keine konkreten Punkte zu digitaler Souveränität oder Open Source. In einem Satz wird der „konsequente Einsatz […von] Open Data im Verwaltungsalltag“ gefordert. Ganz allgemein werden verpflichtende Weiterbildungen zu digitalen Kompetenzen für Lehrkräfte angeregt. Durch eine qualitative und neutrale Bildung können viele Menschen dazu befähigt werden, ihre Entscheidungen bezüglich IT-Systeme möglichst digital souverän zu treffen. Neben den Chancen der Digitalisierung, erkennt die FDP eine dabei entstehende Verwundbarkeit durch Kriminelle. Das eine Verwundbarkeit aber auch ohne das Vorhandensein krimineller Akteure, beispielsweise durch Vendor-Lock-Ins entsehen kann, wird nicht erwähnt.

Mit der Forderung einer konsequenten Digitalisierung des Freistaates wird auch erklärt, dass die Verwendung von offenen Standards dabei bevorzugt werden soll. Detailliertere Informationen, was unter digitaler Souveränität verstanden wird oder wie diese umgesetzt werden soll, finden sich im Wahlprogramm nicht. Auf unsere Fragen hat die FDP nicht geantwortet.

Zusammenfassung

Zwischen den Parteien lassen sich bereits Unterschiede im Verständnis des Begriffs „Digitale Souveränität“ erkennen: während die CDU das Thema vor allem aus dem Gesichtspunkt der IT-Sicherheit betrachtet, legt die SPD einen starken Fokus auf die Anwendererfahrung. Die Linken sowie Bündnis 90/Die Grünen betrachten das Thema am technischsten und kommen besonders deutlich auf die Bedeutung von Open Source zu sprechen. Bei der FDP finden sich wenige Forderungen für zentral gesteuerte Maßnahmen sondern deutlich der Verweis auf Bildung zur selbstbestimmten Entscheidung. AfD, Freie Wähler und Bündnis Deutschland thematisieren digitale Souveränität in ihren Programmen nicht.

Nach dieser Übersicht kommen wir zu dem Schluss, dass das Thema der digitalen Sourveränität in der politischen Breite noch nicht ausreichend angekommen ist. Wir wollen uns deshalb einsetzen das Wissen und den Willen zu stärken, da wir überzeugt sind, dass dies für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft, Verwaltung und Bildung ein entscheidender Faktor ist.

Originalantworten der Parteien
Die originalen Antworten der Parteien auf unsere Fragen können hier herunter geladen werden:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, Die Linke

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